Shibari (japanisch 縛り, dt. „Festbinden; Fesseln“), auch als Japan-Bondage bekannt, ist eine erotische Kunst des Fesselns, die sich in Japan aus der traditionellen militärischen/polizeilichen Fesseltechnik Hojōjutsu entwickelt hat. Die Bezeichnung Kinbaku wird häufig synonym verwendet.
Überblick
Im Gegensatz zum westlichen Bondage dient die Fesselung beim Shibari nicht ausschließlich der Immobilisierung zwecks Einleitung sadomasochistischer Praktiken. Durch die Enge der Umschnürung kann das Gefühl der Geborgenheit entstehen, wie es auch beim Pucken in der Säuglingspflege zu finden ist. Eine wesentliche Rolle spielt auch der künstlerische Aspekt beim Arrangieren des gefesselten Körpers in ästhetisch ansprechende Formen und Posen.
Der aktive Part (die fesselnde Person) wird häufig Rigger, seltener Nawashi genannt, der passive Part (die gefesselte Person) wird häufig (Rope-)Bunny, bzw. neutraler Model oder Ukete genannt.
Welches Seil wird verwendet?
Im Shibari werden hauptsächlich Naturfaserseile aus Hanf oder Jute verwendet. Die Seile werden vor der ersten Anwendung häufig vorbehandelt, um sie möglichst weich und geschmeidig zu machen. Mitunter werden die verwendeten Seile auch geflämmt oder leicht mit Ölen benetzt.
Ein mit Vorsatz kurios klingender Merkspruch im Shibari lautet: „Das Seil hat drei Enden.“ Das erklärt sich dadurch, dass das Seil im Shibari immer doppelt genommen wird. Die in der Mitte des Seils dabei entstehende Bucht wird mit ihrer englischen Übersetzung als das „Bight“ (jap. Gashira) bezeichnet. Die übrigen Seilenden werden gegen Ausfransen verknotet mit einem einfachen Überhandknoten.
Durch die doppelte Seilführung wirkt jede Seillage wie ein Band, wodurch die auf den Körper des Models wirkende Kraft auf eine größere Fläche verteilt wird und dadurch nicht so stark einschneidet.
Knoten
Im Shibari werden keine übermäßig komplexen Knoten verwendet. Die Ansichten darüber, ab wann ein Knoten wirklich ein Knoten und nicht nur eine Seilverschlingung ist, die nur unter Zug hält, gehen etwas auseinander.
Typischerweise startet eine Fesselung an einem Startpunkt (Honmusubi 本結び, deutsch etwa: Basisknoten), häufig ein „Single column tie“. Davon ausgehend wird das Seil „in Fesselrichtung“ um den Körper geführt, bis es zu Ende ist. Dann wird es entweder verlängert durch Anknüpfen eines weiteren Seiles oder abschließend verknotet. Dabei bildet das Bight den Anfang des Seiles und somit deuten die verknoteten Enden des Seiles „in Fesselrichtung“.
Gängige Fesselungen
Von besonderer Bedeutung sind die Ushiro Takatekote (eine Art Kastenfesselung, die die Brust und die Arme umschließt), die die Grundlage vieler Shibari-Fesselungen bildet, und die Ebi-Shibari oder „Garnele“, die ursprünglich als Folterfessel konzipiert und als Teil der Foltertechniken der Edo-Zeit kodifiziert wurde. Heute wird die Ebi-Shibari als Teil von BDSM-Spielen verwendet und kann als eine Form von Semenawa, der Seilfolter, betrachtet werden.
Es gibt Dutzende von Shibari-Techniken, die vom einfachen Knoten bis zur komplizierten Ganzkörperfesselung reichen. Manche dienen lediglich dazu, bewegungsunfähig zu machen, andere sollen die Schönheit des meist weiblichen Körpers unterstreichen.
Rezeption als erotische Kunst
Die Wurzeln des Shibari liegen zwar im erotischen Bereich, es gibt jedoch auch künstlerische Auseinandersetzungen, die sich auf Shibari beziehen oder daraus hervorgegangen sind. Bedeutende Vertreter hierbei sind der Fotograf Nobuyoshi Araki. Während die Fotografien von Araki noch als Tabubruch galten, wurde Shibari dadurch populärer, auch außerhalb einschlägiger Kreise.
Konsens und Sicherheit
Auch wenn es durch die immobilisierende Wirkung der Fesselung zu einem klaren Machtgefälle zwischen der fesselnden und der gefesselten Person kommt, findet eine Shibari-Session doch stets in gegenseitigem Einvernehmen statt. Informationen zum Konsens sind auf zahlreichen Webseiten zu finden und bilden Teil von strukturiertem Unterricht in allen seriösen Schulen. Es ist keine Gewaltausübung, sondern ein Rollenspiel mit dem Ziel, bei der gefesselten Person verschiedene Emotionen zu erzeugen.
Der emotionale Gewinn der fesselnden Person kann darin liegen, sich an den Reaktionen und Gefühlsäußerungen der gefesselten Person zu ergötzen, aber auch in dem Gefühl der Macht, in dem intensiven Erleben der eigenen Wirksamkeit in der Welt. Auch die Befriedigung sexueller Lust oder ein künstlerischer oder ästhetischer Anspruch können im Vordergrund stehen.
Insgesamt ist Shibari eine komplexe erotische Kunstform, die weit über bloße Fesselung hinausgeht. Es erfordert Vertrauen, Kommunikation und Achtsamkeit zwischen den Beteiligten sowie Kenntnisse der Techniken und Sicherheitsaspekte. Die ästhetischen und emotionalen Dimensionen sind ebenso wichtig wie der erotische Aspekt.
Links
Shibari – Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Shibari
Shibari: Das ist der Reiz an der japanischen Fesselkunst | STERN.de https://www.stern.de/gesundheit/sexualitaet/shibari–das-ist-der-reiz-an-der-japanischen-fesselkunst-34527044.html
Die Kunst der Unvernunft Matthias T.J. Grimme | Episodentranscript https://kunstderunvernunft.de/187-grimme?tab=transcript
Shibari: Definition, Knoten und mehr über die Japan-Bondage https://praxistipps.focus.de/shibari-definition-knoten-und-mehr-ueber-die-japan-bondage_179539